Ein Begriff, der erst vor kurzer Zeit in die Medizin eingeführt wurde, dokumentiert die wachsenden politischen Erwartungen, denen Ärzte und Zahnärzte ausgesetzt sind. Gingen Ärzte und Zahnärzte bisher davon aus, dass allein ihre fachliche Leistung, sowie ethische und forensische Kriterien zur Bewertung ihrer Tätigkeit ausreichten, so wird nun von außen eine neue Forderung an sie heran getragen: „Qualitätsmanagement“ (QM). Bisher sind Qualitätsmanagement-Systeme vorwiegend in Industrie- und Gewerbebetrieben zu finden. Seit mehreren Jahren wird von der Politik die Einführung von Qualitätsmanagementsystemen auch für Einrichtungen des Gesundheitswesens gefordert. Insbesondere für Krankenhäuser und stationäre Einrichtungen sind Maßnahmen des einrichtungsinternen Qualitätsmanagements schon verpflichtend vorgeschrieben.
Umfassendes Qualitätsmanagement in Zahnarztpraxen dagegen ist Neuland. Seit 2011 sind auch Zahnarztpraxen, die an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmen, zur Einführung eines Qualitätsmanagements gesetzlich verpflichtet. Nicht nur die aktuelle Situation im Gesundheitswesen erfordert daher ein Umdenken in den Zahnarztpraxen. Hohe Qualität bei der zahnmedizinischen Behandlung bei gleichzeitig hoher Effizienz des Praxismanagements - das sind die Anforderungen, denen sich heute jede Zahnarztpraxis stellen muss.
Unter Qualitätsmanagement in der Zahnarztpraxis sind die Schritte und Maßnahmen zu verstehen, die zum Ziel haben, die Kompetenz des Zahnarztteams zu verbessern und die Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen. Es gibt z.Zt. zwar noch keine Vorschriften zur Einführung eines bestimmten Qualitätsmanagementsystems. Insbesondere ist eine Zertifizierung der Zahnarztpraxis (z.B. ISO, EFQM) bisher nicht gesetzlich vorgeschrieben. Derzeit ist für die QM-Bewertung in deutschen Zahnarztpraxen die allgemeine Norm ISO 9000 hilfreich. Einige Praxen streben auch schon heute eine Praxis-Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2000 an. Eine rein branchenspezifische Norm gibt es bislang noch nicht.
Qualitätsmanagement wird als Gesamtheit der Maßnahmen zur Planung, Steuerung und Überwachung der Qualität des betrieblichen Leistungsprozesses begriffen. Qualitätssicherung dagegen bezeichnet organisatorische und technische Maßnahmen zur Gewährleistung einer entsprechenden Konzept- und Führungsqualität. Während Qualitätsmanagement und Praxismanagement überwiegend im Zusammenhang mit der Prozessqualität bei verwaltungstechnischen und arbeitsvorbereitenden Abläufen verwendet werden, steht der Begriff Qualitätssicherung auch für die Ergebnisqualität. Qualitätssicherung findet z. B. im Rahmen der Röntgenverordnung statt; Hilfsmittel können Richtlinien und Leitlinien sein. Darüber hinaus umfasst Qualitätsmanagement auch Kundenzufriedenheit, Arbeitssicherheit, Rentabilität oder Umweltverträglichkeit. Wie aber lässt sich der Erfolg eines solchen Systems messen? Hier gibt es unterschiedliche Methoden. Neben Peer Review und Audit, die die Qualität aus ärztlicher Perspektive beurteilen, hat sich die Zertifizierung etabliert. Letztere prüft die Güte des Qualitätssicherungssystems zum Zeitpunkt der Zertifizierung. Ein unparteiischer Dritter bestätigt schriftlich, dass ein Erzeugnis, ein Verfahren oder eine Dienstleistung vorgeschriebene Anforderungen (Standards) auf vorgeschriebene Art und Weise erfüllt.
Viele Zahnärzte stehen der Einführung des vom Gesetzgeber geforderten Qualitätsmanagements (QM) nach wie vor skeptisch gegenüber und sehen darin vor allem eine lästige Pflichtveranstaltung. Ganz anders urteilen Praxisinhaber, die mit ihrem Team bereits ein QM-System eingerichtet haben. Sie profitieren durch QM: menschlich, finanziell und ganz persönlich. Entlastet von der Praxisorganisation, die mit einem gut aufgebauten und von den Teammitgliedern konsequent gelebten QM nahezu von selbst läuft, bleibt mehr Zeit für die Patienten und die strategische Praxisführung.
Vertragszahnärzte und zahnärztliche Einrichtungen sind nach Paragraf 135a Absatz 2 Nummer 2 Sozialgesetzbuch 5 (SGB V) verpflichtet, ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln. Das bedeutet konkret, dass Organisation, Arbeitsabläufe und Ergebnisse einer Einrichtung regelmäßig überprüft, dokumentiert und gegebenenfalls verändert werden. Damit sollen die Leistungserbringer auch im ambulanten Bereich von den positiven Wirkungen des Qualitätsmanagements profitieren, heißt es in der Begründung.
Die grundsätzlichen Anforderungen hierzu hat der Gemeinsame Bundesausschuss im November 2006 durch eine Richtlinie festgelegt, die in einem Zeitraum von vier Jahren nach Inkrafttreten umgesetzt werden soll. Danach führen die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen Stichproben durch, um sich einen Überblick über den Umsetzungsstand zu verschaffen. Bislang hat der Gemeinsame Bundesausschuss keine Sanktionen für fehlendes QM benannt. Es ist aber davon auszugehen, dass die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen versuchen werden, die Umsetzung aktiv zu gestalten.
Ein Qualitätsmanagement ist ein aktives System, mit dem man die Praxis auf der Basis festgelegter Strukturen, Abläufe und Verantwortungsbereiche optimal führen kann. Mit Hilfe geeigneter Qualitätsmanagement-Systeme wird das Ziel angestrebt, Praxisprozesse so zu regeln und zu steuern, dass permanent qualitativ hochwertige Resultate der Diagnostik- bzw. Therapieleistungen gewährleistet sind. Patientenorientiertes Handeln sowie betriebswirtschaftliche Aspekte werden in einem praxistauglichen Qualitätsmanagementsystem im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses besonders aufmerksam verfolgt.
Vorteile für den Patienten
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Gewährleistung bzw. Verbesserung der zahnmedizinischen Versorgungsqualität
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tärkere Berücksichtigung der Patientenwünsche, wie z.B. nach weniger Wartezeiten, eine verständnisvollen und nachvollziehbaren Kommunikation, Information und Aufklärung seitens des Praxisteams sowie des Zahnarztes
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Steigerung der Servicequalität führt zu erhöhter Patientenzufriedenheit
Vorteile für das Praxisteam und den Zahnarzt
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Verbindliche Regelung der Organisationsstruktur und nachvollziehbare Dokumentation der Praxisabläufe
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Verringerung von Fehlern im Praxisalltag durch das Feststellen von Fehlern und durch die Beseitigung der Ursachen dieser Fehlleistungen im Rahmen eines objektiven Fehlermanagements
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Zeit- und Kostenersparnis durch auftretende Synergie-Effekte, bedingt durch eine koordinierte und harmonische Zusammenarbeit des Praxisteams
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Vermeidung von Reibungsverlusten und Doppelarbeiten mittels eindeutiger Vorgaben für alle kritischen Tätigkeitsabläufe (Kernprozesse) des Praxisalltags, die in individuell praxisspezifischen Verfahrensanweisungen, Arbeitsanweisungen oder Checklisten festgehalten sind
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Durch klare Informations- und Kommunikationsregelungen auf allen Funktionsbereichen wird ein stressfreieres Arbeiten ermöglicht
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Dies kann Praxisteammitarbeiter und Praxisinhaber motivieren, den Teamgeist fördern und sich positiv auf das Betriebsklima auswirken
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In Zeiten zunehmenden Wettbewerbs wird durch die Implementierung eines Qualitätsmanagement-Systems eine unverwechselbare Praxisidentität geschaffen, die dazu beiträgt, die Patientenbindung zu erhöhen und dadurch den betriebswirtschaftlichen Erfolg zu sichern oder zu steigern
Wer im QM nur den bürokratischen Aufwand sieht, verkennt die Chancen, die es für eine erfolgreiche Praxisführung bietet. Richtig verstanden und angewendet, hilft QM, die Organisation und Abläufe in der Praxis zu optimieren, Fehlerquellen auszuschalten und alle Leistungen konsequent auf die Bedürfnisse der Patienten auszurichten. Daraus resultieren zufriedene Patienten, ein gutes Arbeitsklima im eigenen Team und letztlich wirtschaftlicher Erfolg für die Praxis. Angesichts stetiger Marktveränderungen und steigenden Konkurrenzdrucks ist QM vor allem auch ein strategisches Instrument, das den Praxisinhaber in die Lage versetzt zu agieren, anstatt nur zu reagieren. Richtig ausgeführtes QM ist somit unverzichtbare Voraussetzung für das Überleben einer Praxis.
Das vom Inhaber nach seinen Vorstellungen gestaltete Praxiskonzept bildet die Grundlage für die zielgerichtete Weiterentwicklung der Praxis und den Aufbau einer unverwechselbaren Identität. Das Team muss Konzept und Ziele kennen, um diese erfolgreich und effizient im Praxisalltag verwirklichen zu können. Somit hat die Kommunikation – u.a. regelmäßige Teamsitzungen – höchste Priorität und gehört zu den wichtigsten Bestandteilen des QM. Die für alle verbindliche Standardisierung der Abläufe schafft Sicherheit für jedes Mitglied im Praxisteam. Jeder kennt seine Aufgaben und weiß, wie, wann und warum er diese zu erledigen hat. Verwechslungen, doppelt ausgeführte Arbeiten und Versäumnisse sind weitestgehend ausgeschlossen. Die Prozessqualität steigt und mit ihr die Zufriedenheit der Mitarbeiter.
Die individuellen Ziele sowie die eingesetzten Elemente und Instrumente des QM sind regelmäßig zu dokumentieren. Dies dient unter anderem der rechtlichen Absicherung und sorgt dafür, dass aktuelle gesetzliche Normen und Sicherheitsvorschriften zeitnah in die Praxisstruktur einbezogen und erfüllt werden. Der Praxisinhaber kann für die Einführung von QM auf vorhandene Regelwerke zurückgreifen oder ein eigenes QM-System entwickeln. Den größten Bekanntheits- und Verbreitungsgrad hat laut Studie der Stiftung Gesundheit das QM-System DIN EN ISO 9001. Der Gesetzgeber schreibt eine Zertifizierung des QM-Systems nicht vor, die Einführung und Aufrechterhaltung eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems ist mit großem organisatorischem Aufwand und hohen Kosten verbunden, da sich die Praxen von einer unabhängigen, externen Stelle regelmäßig prüfen lassen und jedes Jahr einen Qualitätsbericht abgeben und sich neu zertifizieren lassen müssen. Ob zertifiziert oder nicht – entscheidend ist, dass QM gelebt wird, und das ist ein kontinuierlicher, nie endender Prozess.
Das Qualitätsniveau einer Zahnarztpraxis zeichnet sich nicht nur im Endergebnis ihrer Leistung ab, sondern vor allem in den Strukturen der Praxisarbeit: Um ein erstklassiges Profil zu zeigen, muss jede erfolgreiche Zahnarztpraxis ihr Leistungsangebot gegenüber Patienten, Kooperationspartnern und Leistungsträgern nach den Werten und Maßstäben ihrer eigenen Praxisphilosophie darstellen. Das bedeutet, Ziele präzise zu definieren und alle darauf ausgerichteten Arbeitsprozesse exakt nachvollziehbar zu machen: Was will die Praxis erreichen? Wie setzt sie diese Ansprüche über die tägliche Praxisarbeit vom Patientenempfang bis hin zu einzelnen Behandlungsarten um? Wie sichert sie ihr Qualitätsniveau? Das Praxisprofil prägt sowohl in der Wahrnehmung des Praxispersonals als auch in den Augen von Patienten, Partnern und Leistungsträgern entscheidend die wirtschaftliche Situation einer Praxis. Bezogen auf das Qualitätsniveau bedeutet das: Je konkreter die Praxisführung die Qualitätsmaßstäbe für ihr Angebot definiert, desto eindeutiger ist der Eindruck, den die Praxis nach innen und nach außen vermittelt. Wer als Praxisinhaber für ein klar definiertes Leistungsangebot und verbindliche Qualitätsmaßstäbe sorgt, ist für Patienten und Leistungsträger attraktiver und grenzt sich erfolgreicher gegen Wettbewerber ab: Patienten und potenzielle Patienten erhalten eine klare Vorstellung vom Qualitätsniveau und den einzelnen Services der Praxis.